Lenninger Realschule entlässt Kampfkünstler

Seit 2012 können Schüler den koreanischen Kampfsport Taekwondo im Rahmen des Ganztagesangebots trainieren. Nun verabschiedet die Bildungseinrichtung die ersten eigenen Schwarzgurte. 

„Vor sechs Jahren ist ein junger Kollege mit einer Vision an mich herangetreten“, beginnt Rektorin Dunja Salzgeber ihre Rede auf der Absolventenfeier, „und erklärte, eine Arbeitsgruppe Taekwondo ins Leben rufen zu wollen. Als er dann als Zielsetzung aber das Erreichen des schwarzen Gürtels angab – da war ich schon skeptisch.“ Wer kann der Pädagogin das verdenken? Worte gehen leicht von den Lippen. Es sind die Taten, die den Unterschied machen.

Der junge Kollege, Alexander Tomisch, machte sich sodann auf die Reise und orientierte sich stets an seinem Lieblingsmotto, welches er auch den Schülern gebetsmühlenartig vortrug: Das Geheimnis des Könnens liegt im Wollen. Das der Wille nicht bei allen ausgeprägt ist, zeigen die nackten Zahlen: Von den rund 60 Schülern, die im zweiten Jahr der AG mit dem Training begannen, haben nicht einmal eine Handvoll bis zum Ende durchgehalten. Oftmals mangele es weder an Talent noch an Zeit oder Unterstützung – viele sind einfach träge. „Dass die dann nichts aus sich machen, die Chance nicht ergreifen und ihr Potential verschwenden, wurmt mich schon immer wieder“, erklärt Tomisch und setzt hinzu: „Das ist ein echter Jammer.“ Umso mehr freuen ihn dann seine „Musterknaben“: Mandy Bächle, Mia und Silas Brodbeck sowie Johannes Brinkmann scheuten keine Anstrengungen, trainierten mehrmals unter der Woche sowie an den Wochenenden, besuchten Lehrgänge und stellten sich regelmäßig den anstehenden Gürtelprüfungen – sogar in den Ferien. „Kurz vor der Meisterprüfung waren wir nachmittags so oft im Aktivraum, dass nicht nur die Nerven der Prüflinge blank lagen, sondern die der Reinigungskräfte ebenso“, führt Tomisch aus und kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Das ein solch jahrelanges Mammutprojekt nicht nur allein durch die Anstrengungen der Sportler realisiert werden kann, liegt auf der Hand. Das dauerhafte Wohlwollen der Schulleitung wie auch eine großzügige Spende des Fördervereins der Realschule ebneten den Weg für den entscheidenden Tag.

Dass sich die Strapazen gelohnt haben, zeigt dann der Ausgang des Leistungstests vor den Augen des koreanischen Großmeisters Soo-Nam Park. Der über 70-jährige kann auf so viele nationale wie internationale Leistungen und Verdienste im Taekwondo zurückblicken, dass eine Aufzählung müßig wäre. Und so kommt es nahezu einer Adelung der Lenninger Delegation gleich, als er Johannes Brinkmann den Meistergrad verleiht – selbst wenn mahnende Worte und Hinweise zur Weiterentwicklung nicht ausbleiben. Auch der Prüfer der übrigen Anwärter lässt sich drei Stunden lang alle Aspekte des Taekwondo ausführlich demonstrieren, bevor er sein Urteil fällt. Bestanden. Danach: Freudentaumel. Eine fünfjährige Reise endet im Glück. Zunächst.

Im Gegensatz zu vielen anderen Sportarten belässt es das Taekwondo nicht bei einer rein körperlichen Ausbildung. Vielmehr ist es ein zentrales Anliegen der fernöstlichen Disziplin den Charakter zu formen und weiterzuentwickeln. Letzteren beweisen Mandy Bächle und Mia Brodbeck, als sie im Rahmen ihrer Abschlussfeier ans Mikrofon treten und ihren Trainer auf die Bühne bitten. Sie erzählen von einem Mann, der das Wohl seiner Schüler stets über das eigene stellt, seine Freizeit für unzählige zusätzliche Trainingsstunden opferte und selbst dann noch Unterstützung und Engagement aufbringt, wenn die Teilnehmer dies kaum noch verdienten. Für nicht wenige im Raum ist dies der emotionalste Moment des Abends. Auch die Augen des Meistermachers werden feucht, doch ist die Würdigung nicht seine größte Freude. „Das die Schwarzgurte nach meinem Ausscheiden die AG nun in Eigenregie weiterführen wollen, ist das schönste Geschenk. Damit lebt die Vision weiter“, bemerkt Alexander Tomisch sichtlich berührt.

Auch die Schulleitung, die im Rahmen der Entlassfeier die originalen Urkunden des Weltverbandes überreicht, ist über die jüngste Entwicklung sehr glücklich: „Dass über den Einsatz der Schüler nun eine solche Nachhaltigkeit entsteht, spricht auch für die Verbundenheit mit unserer Schule und ist ein schönes Zeichen.“ Die Reise geht also weiter – diesmal ganz ohne Skepsis.

Pressebeauftragter