Die Qual der Wahl

Eine unüberschaubare Anzahl von Ausbildungsmöglichkeiten und Studienangeboten stellen Jugendliche häufig vor Schwierigkeiten. Die Lenninger Realschule baut daher ihr Konzept der Berufsorientierung weiter aus.

Was im Mittelalter zumeist über die Geburt festgelegt und damit alternativlos war, hat sich heute ins Gegenteil verkehrt: Hunderte von Ausbildungsberufen und tausende von Studiengängen bieten sich den Schülerinnen und Schülern an. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Arbeitswelt durch die Globalisierung und Digitalisierung immer schneller verändert und dafür sorgt, dass traditionelle Berufsbilder verschwinden, gänzlich neue wiederum rasant entstehen.

„Die ideale Berufswahl wird immer mehr zur sprichwörtlichen Suche nach der Nadel im Heuhaufen“, erklärt der Hauptverantwortliche Lehrer für die Berufsorientierung an der Realschule in Lenningen, Marcus Walter. Sein Ziel ist es, den Heranwachsenden mit Angeboten und Unterstützung den Weg zu ihrem Traumberuf zu ebnen. Längst übersteigen seine Anstrengungen und die seiner Kollegen die an Realschulen üblichen Hilfestellungen wie Praktikum, theoretischer Unterricht oder auch der Besuch im Berufsinformationszentrum bei weitem. Unlängst wurde beispielsweise eine großflächige Pinnwand eingerichtet, auf welcher beständig auf die aktuellsten Informationsveranstaltungen oder auch Ausbildungsgesuche von Unternehmen hingewiesen wird, Vorträge der Bildungspartner samt Bewerbertraining arrangiert, Auszubildendenbotschafter eingeladen, themenbezogene Elternabende durchgeführt und eine eigene Berufe-Hausmesse installiert. Letztere soll nun als Karrieremesse eine Rundumerneuerung erfahren. „Wir wollen zwar weiterhin an dem bewährten Modell festhalten, bei welchem unsere regionalen Bildungspartner ihre Berufsbilder den Schülerinnen und Schülern näherbringen. Doch erweitern wir die Bandbreite nun ganz erheblich durch bundesweit agierende Konzerne und Großunternehmen. Durch massive Akquise ist es gelungen, große Fische wie die Deutsche Bahn, die Bundespolizei und Vertreter der Finanzbranche an Land zu ziehen. Darüber hinaus, bedingt auch durch die Ausrichtung des Faches „Wirtschaft, Berufs- und Studienorientierung“, haben wir zudem noch Studienbotschafter eingeladen, die über weiterführende Wege nach dem Realschulabschluss aufklären können“, führt Walter aus.

Generell findet er die zunehmende Abkehr von den Ausbildungsberufen zu Gunsten eines etwaigen Studiums jedoch schade. Immer mehr Realschüler entscheiden sich für die weiterführenden Schulen und lassen Ausbildungsplätze unbesetzt. „Prinzipiell unterstützen wir den Wunsch der Schülerinnen und Schüler ein Berufskolleg oder ein berufliches Gymnasium zu besuchen. Doch oftmals wird diese Entscheidung anscheinend aus den falschen Gründen getroffen: Einfach den Status quo beizubehalten um die unausweichliche Entscheidung zu vertagen, die Vorstellung später eine Chefposition mit spektakulärem Gehalt beziehen zu wollen oder die Erwartungshaltung des Elternhauses sind nicht zwangsläufig die besten Ratgeber. Manchmal ist man schon versucht zu fragen: Welchen Erfolg soll das bringen?“ Dabei sind Ausbildungen inzwischen so vielseitig wie nie zuvor. Ein Beispiel ist die Kombination mit der Fachhochschulreife. „Absolventen unserer Realschule sitzen nun mit 19 Jahren in einem Hörsaal einer Hochschule, haben aber nicht nur einen weiteren Schulabschluss erworben, sondern gleichzeitig drei Jahre berufliche Praxis und einen ordentlichen finanziellen Verdienst erlangt“, gibt Alexander Tomisch zu bedenken, der ebenfalls Berufsorientierung unterrichtet. „Die Schüler sollten sich gründlich über alle Möglichkeiten informieren und den Gedanken an eine Berufsausbildung nicht so schnell verwerfen.“

Grundlegend für jedwedes Fortkommen ist jedoch, und da sind sich die Pädagogen sofort einig, dass man Einsatzwillen und Interesse mitbringt. „Und wer einmal seine berufliche Bestimmung gefunden hat, wird in der Regel automatisch zielstrebiger und fokussierter. Für uns ein Grund die Berufsorientierung immer weiter Voranzutreiben“, erläutert Marcus Walter. Die von ihm konzipierte Neuauflage der Berufsmesse wird auch ein Speed Dating mit Unternehmensvertretern beinhalten. In einem 10-minütigen Gespräch können sich beide Seiten kurz abtasten und ersehen, ob sich eine Intensivierung der Beziehung lohnt. „Das ist eine wichtige Erfahrung für die Jugendlichen, sich einem gestandenen Menschen aus der Praxis präsentieren zu müssen. Und wer weiß, vielleicht findet dort ja auch zusammen, was zusammen gehört“, bemerkt Walter und kann sich ein Grinsen nicht verkneifen.

Pressebeauftragter