Kirchheimer Stadtführung und Schlossbesichtigung
Bei strahlendem Sonnenschein haben wir uns freitagabends auf die Spuren der Kirchheimer Vergangenheit gemacht.
Zuerst haben wir auf dem Martinsplatz erfahren, dass das Kornhaus, welches später als Feuerwehrhaus umgebaut wurde, Platz für so viel Korn hatte, dass 1500 Soldaten ein halbes Jahr versorgt werden konnten. (Wobei diese Anzahl nie in Kirchheim weilte.) Sogar eine Pferdemühle – für den Notfall einer Stadtbelagerung – hatte auf dem Platz gestanden, der ursprünglich als Friedhof diente, bevor dieser verlegt wurde.
Weiter ging es zum Spital, (heute VHS) dem ehemaligen Armenhaus von Kirchheim, Krankenstation und vorübergehenden Rathaus nach dem großen Stadtbrand 1690.
Zwischen Stadtbücherei und Max-Eyth-Haus kann man durch die unterschiedliche Pflasterung auf der Max-Eyth-Straße noch die Stadtmauer und das Ötlinger Stadttor erkennen.
Weiter ging es dann ins Schloss, welches von uns 20 Teilnehmern gerade mal 10 % kannten. Von Herzog Ulrich von Württemberg 1538 als Eckbastion der Stadtmauer erbaut, diente das Kirchheimer Schloss mit seinem Wassergraben anfangs zur Verteidigung und gelegentlich als Jagdschloss, bevor es 1628 zum Witwensitz umgestaltet wurde. Vier Herzoginnen haben darin gewohnt, bevor die beiden Bekanntesten einzogen. 1795 hat Herzogin Franziska, Witwe von Herzog Carl Eugen darin ihre Zeit – vor allem mit Umbau-/Umgestaltung und Langeweile verbracht – umgeben von Dienern hatte sie eine verschwenderische Witwenzeit. Sie hatte extra nur zum Kaffeekochen einen Lakaien. Carl Eugen, zu Lebzeiten nicht untätig (ca. 250 uneheliche Kinder, von welchen er 77 Söhne anerkannt hatte) war Gründer der hohen Karlsschule, in welcher manche seiner Söhne unterrichtet wurden. Franziska, ursprünglich seine Mätresse, verdiente durch Carl Eugens Hartnäckigkeit die Ehe, welche jedoch kinderlos blieb. Sie verstarb am Neujahrstag 1811 an Unterleibskrebs. Gegen Ihren Wunsch – neben ihrem Gatten in Ludwigsburg bestattet zu werden – wurde ihr Leichnam in der Gruft der Martinskirche beigesetzt.
In das freigewordene Schloss wurde der extrem verschwenderische und hoch verschuldete Herzog Ludwig von seinem Bruder König Friedrich I von Württemberg mit seiner Frau Henriette und den 5 Kindern verbannt. Und somit unter Kontrolle gehalten. Nach dem Tod des Gatten (1817) diente das Schloss weitere 40 Jahre als Witwensitz für Herzogin Henriette. Sie vermählte geschickt alle Ihre Kinder, u.a. nach Russland und Groß Britannien (Queen Elisabeth II ist die Ururenkelin von Henriette). Henriette hat das Schloss nach und nach zu einem gemütlichen Heim umgestaltet. Durch ihr Wirken entstanden im Laufe der Zeit unter anderem ein Waisenhaus – die Paulinenpflege –, eine Töchterschule, Industrieschulen für die Kinder, deren Eltern sich das Schulgeld nicht leisten konnten, und die freiwillige Feuerwehr.
Henriette war sehr bescheiden, und verstand es durch Spendenaufrufe und Versteigerungen Geld für die neuen Einrichtungen zu sammeln. Geschickt brachte Sie ihren Neffen, König Wilhelm I dazu, Tausende Gulden für den Bau des Krankenhauses zu spenden, in dem dieses nach ihm benannt wurde.
Kirchheim hat Henriette viel zu verdanken.
Den Abschluss im Kirchheimer Schloss machte der heutzutage als Trauzimmer genutzte umgebaute Erker.
Um all die Eindrücke und Wissenswertes zu verdauen, haben wir den Abend im
„Forsthaus“ gemütlich ausklingen lassen.
Text: Birgit Laubscher
Bilder: Anja Bezler-Klein